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Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Pfarrer wegen angeblicher Volksverhetzung abgelehnt.

Datum: 29.11.2011

Kurzbeschreibung: Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Mosbach

Mosbach Die Staatsanwaltschaft Mosbach hat die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen angeblicher Volksverhetzung (§ 130 StGB) und Beleidigung (§ 185 StGB) gegen einen Pfarrer im Zusammenhang mit dessen Äußerungen bei einem Auftritt zu „Stuttgart 21“ in Wertheim abgelehnt.

Die mit den Strafanzeigen angegriffenen Äußerungen zu der öffentlichen stark diskutierten politischen Frage sind nicht als Beleidigung strafbar, weil sie jedenfalls von der durch das Grundgesetz selbst verbürgten Meinungsfreiheit geschützt sind. Dieser Schutz ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unabhängig davon, ob eine Äußerung aus Sicht Dritter ‚wertvoll' oder ‚wertlos', ‚richtig' oder ‚falsch', emotional oder rational begründet ist. Dies gilt auch, soweit sich ein Anzeigeerstatter durch die vom Redner verwendeten Formulierungen in seiner Ehre verletzt sieht. Denn gegenüber dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit in der Form seiner gefestigten verfassungsgerichtlichen Auslegung haben im konkreten Fall etwaige Ehransprüche der von der Meinungsäußerung Betroffenen zurückzustehen. Zwar kennt die Meinungsfreiheit Grenzen in den allgemeinen Gesetzen oder der persönlichen Ehre Dritter, doch sind diese Rechte ihrerseits im Lichte der Meinungsfreiheit beschränkt. Ein Vorrang der Meinungsfreiheit vor dem Recht der persönlichen Ehre besteht insbesondere dann, wenn eine Äußerung im politischen Meinungskampf erfolgt, wie dies hier ersichtlich der Fall war. Eine von der Meinungsfreiheit nicht mehr geschützte Schmähkritik, deren Ziel nicht mehr die politische Meinungsbildung im öffentlichen Kampf der Meinungen, sondern die bloße Herabsetzung des Gegners ist, war in den beanzeigten Äußerungen nicht zu erblicken. Denn ersichtlich erfolgte die Rede des Angezeigten nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzung, sondern als, wenn auch in Teilen provokanter, Beitrag zur Bildung der öffentlichen Meinung.

Eine von der Meinungsfreiheit auch im politischen Meinungskampf nicht mehr gedeckte Volksverhetzung, die die Anzeigeerstatter als gegeben ansehen, war und ist aus Rechtsgründen mit den beanzeigten Aussagen nicht verwirklicht. So stellt zunächst die Gruppierung der S21-Gegner, die sich z.B. durch äußeres Bekenntnis, aber auch durch bloße innere Einstellung bildet, bereits keine nach den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Maßstäben ausreichend individualisierbare Gruppe und damit kein geeignetes Angriffsobjekt im Sinne der genannten Straftatbestände dar. Davon unabhängig lässt sich ein Angriff auf die Menschenwürde Dritter, wie er von § 130 StGB vorausgesetzt wird, nicht feststellen. Der Angezeigte hat mit seinen Äußerungen nämlich nicht, wie es zur Erfüllung des Tatbestandes erforderlich wäre, das Recht der Angegriffenen bestritten, als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft zu leben. Schließlich sind die angezeigten Äußerungen auch nicht geeignet, den öffentlichen Frieden in dem vom Straftatbestand der Volksverhetzung geschützten Sinne zu stören. Nicht die öffentliche Erregung, die eine Äußerung auszulösen vermag, ist hierfür die Richtschnur. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Tatbestandsmerkmal vielmehr negativ so bestimmt, dass weder der Schutz vor einer Beeinträchtigung des `allgemeinen Friedensgefühls` oder der `Vergiftung des geistigen Klimas`, noch eine Interpretation der Geschichte, selbst wenn sie offenkundig falsch wäre, ein Grund sind, mit den Mitteln des Strafrechts einzuschreiten.

Eine Strafbarkeit des Angezeigten konnte daher ausgeschlossen werden.

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